News

Was ist gerecht im Jahre 2023?

Bei der Angleichung des Pensionsantrittsalters wird von einer gleichberechtigen Zukunft ausgegangen, für die in der Gegenwart allerdings nichts getan wird

Dass Frauen ein niedrigeres Pensionsantrittsalter haben und nicht zum Bundesheer müssen - das empfinden viele als Ungerechtigkeit, die längst abgeschafft gehört. Für sie gibt es zumindest in Sachen Pension Hoffnung, obwohl diese Ungerechtigkeit beim tatsächlichen Pensionsantrittsalter schon an Schärfe verliert. So liegt es für Männer und Frauen theoretisch zwar fünf Jahre auseinander (65 Jahre bei Männern, 60 bei Frauen), im Schnitt treten aber Frauen ihre Pension mit 57, und Männer mit 59 Jahren an.

Und wie letzte Woche bekannt wurde, gibt es nun einen weiteren Grund, der aufatmen lässt: Der Begutachtungsentwurf des Sozialministeriums zum Budgetbegleitgesetz sieht für "Hacklerinnen" eine ordentliche Erhöhung vor. Die Anpassung startet für Frauen und für Männer 2014, Männer brauchen dann 45 Beitragsjahre und müssen 62 Jahre (statt 60) sein, für Frauen steigt das Alter in den kommenden Jahren gleich um sieben Jahre. Derzeit beträgt es 55 Jahre, die Erhöhung ab 2014 steigt zunächst auf 57 Jahre (40 Jahre Beitragsjahre) und ist im Jahr 2023 abgeschlossen, wenn sich Frauen auch mit 62 Jahren und 45 Beitragsjahren in die Langzeitversichertenpension begeben können.

Gleichberechtigte Voraussetzungen

Gerecht? Wenn wir im Jahre 2023 in einer gleichberechtigten Welt Leben, in der Männer und Frauen die gleichen Voraussetzungen erwarten - dann ja. Bis dorthin muss aber neben der "Hacklerinnen"-Regelung und dem Anstieg des regulären Frauenpensionsantrittsalters auch der Steigerungsbedarf anderenorts endlich ernst genommen werden. Die Angleichung der Löhne von Frauen an die der Männer lässt seit geraumer Zeit auf sich warten und die Zahl jener Männer, die sich in gleichem Maße wie Frauen in der Versorgungsarbeit engagieren, braucht auch dringend eine Nachbesserung.
Denn egal ob Karenz, Pflege kranker Angehörige, Kinderbetreuung oder Hausarbeit: Hier lassen gesetzliche Maßnahmen entweder ganz auf sich warten oder schaffen es erst in höchst seltsamen Ausformulierungen bis zur Durchsetzung. Aktuellstes Beispiel dafür ist wohl die Einkommenstransparenz im Zuge der Reform des Gleichbehandlungsgesetzes. Die Einkommenstransparenz soll die Gehaltsschere schließen und obwohl der Handlungsbedarf hier dringend ist, werden Maßnahmen wie diese erstmals kräftig weich gespült. Keine Sanktionen für Unternehmen, wenn sie keinen Bericht vorlegen, dafür Strafen für ArbeitnehmerInnen, wenn der Einkommensbericht des Betriebes an die Medien oder im Internet ausgeplaudert wird.

Auch Männer müssen nachziehen

Wenn Männer nicht endlich bei der Betreuung oder Karenz nachziehen - ob freiwillig oder unfreiwillig - könnte es angesichts von Angleichungen wie bei den Pensionen zu einem beispiellosen Backlash kommen. Das Pensionsantrittsalter ist dann zwar für Männer und Frauen gleich, Frauen sind aber nach wie vor für den Haushalt, die Kinderbetreuung, die Pflege kranker Angehöriger zuständig und daneben wird auch noch Teilzeit gearbeitet. Gerade wegen solcher Lebensrealitäten wurden frauenfördernde Maßnahmen wie das niedrigere Pensionsantrittsalter für Frauen ergriffen.

Gleiches Regelpensionsalter für Männer und Frauen ab 2033, gleiches Antrittsalter für HacklerInnen ab 2023 - ob das gerecht ist, wissen wir erst, wenn es soweit ist. Wenn aber bei Löhnen, Karenz oder reproduktiver Arbeite weiterhin lediglich auf sanktionslose Imagekampagnen gesetzt wird, könnten die beabsichtigten Angleichungen alles andere als das sein.

(Quelle: diestandard.at, 2. November 2010)

Zurück