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Unisex bringt höhere Versicherungsprämien

EuGH-Urteil: Berücksichtigung des Geschlechts als Risikofaktor ist eine Diskriminierung

Versicherungen müssen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs künftig einheitliche Tarife für Frauen und Männer anbieten. Die Berücksichtigung des Geschlechts als Risikofaktor sei eine Diskriminierung.

Luxemburg/Wien - Der Europäische Gerichtshof hat sich am Dienstag einmal mehr der Meinung seiner Generalanwältin Juliane Kokott angeschlossen: Auch bei der Versicherung müssen Frauen und Männer gleich behandelt werden. Anbieter müssen unabhängig vom Geschlecht Unisex-Tarife anbieten. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg entschieden (Rechtssache C-236/09).

Diskriminierung

Die bisher übliche Berücksichtigung des Geschlechts als "Risikofaktor" für Versicherungsbeiträge diskriminiere Frauen und sei deswegen ungültig. Die Branche muss bis spätestens 21. Dezember 2012 Unisex-Tarife anbieten. Bestehende Verträge sind nicht betroffen.

Die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie verbietet seit 2007 die Berücksichtigung des Geschlechts bei der Berechnung von Versicherungsprämien. Mit einer Ausnahme: "Sofern das Geschlecht ein bestimmender Risikofaktor ist" und dies durch genaue versicherungsmathematische und statistische Daten untermauert werden kann. Daher zahlen Frauen in der Er- und Ablebensversicherung weniger Prämie als Männer, bekommen am Ende der Laufzeit aber gleich viel ausbezahlt. Sollte sich die Frau aber für eine lebenslange Rente entscheiden, so bekommt sie derzeit bei gleicher Versicherungsprämie eine geringere Rente als der Mann, weil sie statistisch länger lebt.

Rein statistisch zeigt sich folgendes Bild: Frauen haben eine um rund sieben Jahre höhere Lebenserwartung als Männer, weniger Unfälle und nehmen Leistungen in der Krankenversicherung stärker in Anspruch als Männer. Männer leben gefährlicher als Frauen, haben eine höhere Unfallwahrscheinlichkeit, auch mit dem Kfz. Folgerichtig sind die Prämien für Frauen in der Lebens- und Krankenversicherung tendenziell höher als jene der Männer, während Männer in der Unfall- und Kfz-Versicherung höhere Prämien bezahlen.

"Männer werden mehr zahlen"

Die Versicherer warnen bereits, dass aufgrund des fehlenden Risikoausgleichs die Tarife für alle teurer würden. Günter Geyer, Chef der Vienna Insurance Group: Aller Voraussicht nach werden Männer mehr zahlen, wenn es keine risikogerechte Unterscheidung mehr gibt. Diese gebe es in der VIG derzeit noch in der Renten- und in der Krankenversicherung. Und zwar nur aufgrund der längeren Lebenserwartung von Frauen. Das "Geburtsrisiko" sei bereits jetzt in den Polizzen beiderlei Geschlechts berücksichtigt, so Geyer zum Standard. In der Kfz-Versicherung errechne sich die Prämie aufgrund der Schadensfälle.

Die Versicherungsbranche kritisierte die Entscheidung. Es sei falsch, Ungleiches gleich zu behandeln. Die Differenzierung nach Risiken, die vom Geschlecht des Versicherten abhängen, habe bisher zu insgesamt günstigen Tarifen geführt. Alexander Erdland, Chef des Stuttgarter Versicherungs- und Bausparkonzerns Wüstenrot, kritisierte die Luxemburger Richter ebenfalls: "Es ist ein Fehler, unterschiedliche Risiken zu sozialisieren."

(Quelle: DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.3.2011)

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