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Sozialausgaben wegen Krise auf Rekordwert

Senioren erhalten pro Jahr 31.400 Euro an Sozialleistungen - sechsmal mehr als Junge

Wien - Viel Kritik an der Regierung provoziert der neue Sozialbericht. Angesichts der hohen Armutsgefährdung von Alleinerziehern und Familien mit mehr als drei Kindern - der Standard berichtete - fordern Sozialorganisationen und Opposition die Rücknahme geplanter Kürzungen der Familienleistungen. Caritasdirektor Michael Landau erkennt überdies eine "Gerechtigkeitslücke": Während zwei Drittel der Haushalte kein nennenswertes Geldvermögen besitzen, hält das oberste Zehntel über die Hälfte des gesamten Volumens von 440 Milliarden. Für Landau ist es deshalb "nicht tolerierbar, dass Vermögende kaum einen Beitrag für dringende Zukunftsinvestitionen leisten".

Der vom Sozialministerium herausgegebene Bericht zeigt aber auch, dass der Staat noch nie soviel für Sozialleistungen ausgegeben hat wie im Vorjahr: Als Folge gestiegener Arbeitslosigkeit und schrumpfender Wirtschaft ist die Sozialquote - Sozialausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt - auf den Rekordwert von 30,7 Prozent gestiegen. Das entspricht 84,1 Milliarden Euro. Im EU-Vergleich liegt Österreich auf Platz sechs. Frankreich ist die Nummer eins, Lettland Schlusslicht mit elf Prozent (2007).

Mehr Geld für die Alten

Vor dem Krisenjahr waren die Sozialausgaben seit 1995 hingegen schwächer als die Wirtschaft (plus 61 Prozent) gewachsen - wobei es relative Gewinner und Verlierer gab. Die Aufwendungen für Altersleistungen sind mit 79 Prozent deutlich stärker gestiegen als jene für Familien (45 Prozent) oder Arbeitslose (37 Prozent). Der Anteil für ältere Menschen erhöhte sich um drei Prozent auf 49 Prozent, was laut Bericht der demografischen Verschiebung entspreche. Pro Bürger über 65 Jahren sind die Sozialausgaben mit 31.400 Euro im Jahr mehr als sechsmal so hoch wie für die Jüngeren (5000 bis 5100 Euro).

Bis 2030 soll der Anteil der über 65-Jährigen von 17 auf 24 Prozent ansteigen. Ist der Wohlfahrtsstaat dann noch finanzierbar? Der Sozialbericht geht von einem Ja aus. Schließlich sei die Zahl der Senioren schon in den letzten 15 Jahren um ein Fünftel gestiegen - trotzdem explodierten die Sozialausgaben nicht, auch dank Sparmaßnahmen. Pensionen und Pflegegeld wurden mitunter gering oder gar nicht erhöht, auch Pensionenreformen hätten Wirkung gezeigt. Die Kosten für Frühpensionen sind seit 2000 real gesunken.

Wenn das prognostizierte Wirtschaftswachstum von 1,65 Prozent halte, so ein Szenario im Bericht, dann werde die Sozialquote bis 2030 lediglich auf 32,6 Prozent steigen - aber nur, wenn in die Sozialausgaben für Jüngere nicht nennenswert investiert wird.

(Quelle: Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2010)

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