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Politik schaut zu wenig auf Kindergesundheit

Es gebe zu wenig Geld für Vorsorge, kritisieren Experten - Die Folge: Mehr übergewichtige Kinder

Linz - Die Gesundheitsvorsorge von Kindern und Jugendlichen werde in Österreich vernachlässigt. Es bestehe "großer Nachholbedarf", warnt Klaus Schmitt, Präsident der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, und spricht von Versäumnissen seitens der Politik. Zum Auftakt der Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde am Mittwoch in Linz forderten Mediziner eine Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, die Verpflichtung zur Vorschuluntersuchung sowie den Ausbau von kostenlosen Therapiemöglichkeiten für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen.

Wie schlecht es um die Gesundheit der Kinder bestellt ist, zeigen aktuelle Studien. Das Institut für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung (ISMB Austria) kommt in seiner vor zwei Wochen präsentierten Untersuchung zu dem Ergebnis, dass in den vergangenen vier Jahren die Zahl der Übergewichtigen bei den Zehn- bis Zwölfjährigen um 20 Prozent gestiegen ist. Laut OECD belegt Österreich bei der Kindergesundheit im internationalen Vergleich nur Platz 27 von 30.

"Alarmierende Situation"

Trotz dieser "alarmierenden Situation" passiere seitens der Politik "wenig", kritisiert Schmitt das Gesundheitsministerium. "Kinder machen zwar 20 Prozent unserer Bevölkerung aus, aber sie verbrauchen nur fünf Prozent des Gesundheitsbudgets", ergänzt Klaus Vavrik, Präsident der österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit.

Als eine der notwendigsten Verbesserungen wollen die Mediziner eine verpflichtende Schuleingangsuntersuchung. Derzeit würden nur 30 Prozent eines Jahrgangs diese freiwillige Untersuchung wahrnehmen. Genauso wichtig sei die Adaptierung des Mutter-Kind-Passes. Es müsse mehr Augenmerk auf "psychosoziale und -somatische Umstände" gelegt werden, sagt Schmitt. Zudem fehle es an Angeboten für Ergo-, Logo- und Physiotherapie. Allein in Wien warten, laut Vavrik, 1000 Kinder auf einen Platz. Genauso wie in Deutschland müsste diese Förderung auch kostenlos werden.

Minister dementiert

Den Vorwurf, Kindergesundheit zu vernachlässigen, streitet Gesundheitsminister Alois Stöger ab. Er verweist auf den im April ins Leben gerufenen "Kindergesundheitsdialog" mit Arbeitsgruppen zu Themen wie Ernährung oder sichere Medikamente. Zudem soll 2011 ein Kindergesundheitsplan fertig werden.

(Quelle: DER STANDARD, Print-Ausgabe 30.09.2010)

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