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Pensionen in Gefahr: Trotz Arbeitslosigkeit Mangel an Fachkräften

Ausbildung als Gegenmittel für die Überalterung, Vordenker: Helmut Kramer und Johannes Kopf

Wer nach der Zukunft der Arbeit fragt, muss sich Gedanken machen um Wachstum, Wertschöpfung, Technologie, Migration, Qualifikation und Demographie.

Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), bringt die Bandbreite der Diskussionen um die Zukunft der Arbeit auf den Punkt: „Sie schwanken zwischen zwei Extremen. Einerseits der Furcht, dass durch Alterung die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft und Wirtschaft, Wohlstand und Pensionen durch Mangel an Arbeitskräften gefährdet sind. Andererseits beobachten wir in vielen Ländern Arbeitslosenquoten von über 10 Prozent, mit hoher versteckter Arbeitslosigkeit und deutlich höheren Quoten in einigen Altersgruppen und sozialen Schichten.“

Als Thema hat die „Zukunft der Arbeit“ jedenfalls schon eine große Vergangenheit: Thinktanks von Sozialpartnern und Parteien haben sich damit ebenso befasst wie Trend- und Zukunftsforscher oder Unternehmen vom Technologieanbieter bis zum Büromöbelhersteller.

Vielfältige Perspektiven

So verwundert es auch nicht, dass dazu bereits die unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet wurden: ökonomische Dimensionen wie Wachstum und Arbeitslosigkeit ebenso wie die damit zusammenhängenden Aspekte Demographie und Migration. Doch auch die sozialpolitischen Folgen des Rückgangs von klassischen Vollzeitjobs zugunsten von Teilzeit-, Minijobs oder noch prekäreren Arbeitsverhältnissen sowie die Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien in der Arbeitswelt ergeben, wurden thematisiert.

Bei den Alpbacher Reformgesprächen am 24. und 25. August lautet die Fragestellung, wie die Zukunft der Arbeit in einer demographisch nach haltigen und ökosozialen Marktwirtschaft aussehen kann. Wo können Wachstum, Wertschöpfung und neue Arbeit entstehen?

Die neuen Arbeitswelten sind nicht nur facettenreich, sondern auch von zahlreichen paradoxen Phänomenen gekennzeichnet. Angst vor Arbeitskräftemangel durch eine alternde Gesellschaft bei gleichzeitig hoher Jugendarbeitslosigkeit ist nur eines davon. Trotz hoher Arbeitslosenquoten klagen Unternehmen im nun beginnenden Konjunkturaufschwung wieder über Fachkräftemangel. Eine Studie des Personaldienstleisters Manpower zeigt, dass davon in Österreich 35 Prozent der Arbeitgeber betroffen sind. Die Qualifikation der Beschäftigungslosen und die Anforderungen der Betriebe stimmen offenbar nicht überein.

Die Wirtschaft ruft daher nach ausländischen Fachkräften, also Zuwanderern, während sich die Zuwandererkinder der letzten Arbeitsmigrationswelle mangels gesellschaftlicher Integration immer schwerer tun, auf dem Arbeitsmarkt überhaupt Fuß zu fassen. „Unser Bildungssystem muss mehr auf das Thema lebenslanges Lernen umgestellt werden. Bei der Erwachsenenbildung muss noch viel getan werden: Modularisierung von Angeboten und auch bei den Inhalten“, meint Johannes Kopf, Vorstand des AMS.

Generationenpolitik gefragt

Wirtschaftsforscher Helmut Kramer ruft dazu auf, das Altern der Gesellschaft nicht einseitig als Belastung oder Bedrohung zu sehen, sondern auch als eine Chance: „Um diese positiv zu erfahren, muss Anpassung der Arbeitsbedingungen an die individuelle Leistungsfähigkeit möglich sein.“ Er plädiert für eine umfassende Generationenpolitik, die Einrichtungen der lebenslangen Gesundheit und lebenslangen Bildung ausbaut.

Wolfgang Lutz, Leiter des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des IIASA in Laxenburg, relativiert jedenfalls die alarmistischen Schlagzeilen von einer alternden Gesellschaft, der die Arbeitskräfte ausgehen. „Bezieht man neben den rein demographischen Daten auch das Ausbildungsniveau, die Erwerbsquoten und den Gesundheitsstatus in Analysen ein, so zeigt sich, dass vermeintliche Herausforderungen wie künftige Arbeitskräfteknappheit, abnehmende Produktivität oder die Krise des Pensionssystems ganz anders aussehen oder gar verschwinden.“ Das heißt: Höheres Bildungsniveau lässt Mitarbeiter länger und produktiver arbeiten – und kompensiert damit die Effekte des abnehmenden Arbeitskräfteangebots.

Vielleicht ist die neue Arbeitswelt in Wahrheit ja eigentlich doch ganz schön.

(Quelle: FORMAT online, 27.08.2010)

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