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"Männer kennen sich auch nicht überall aus"

Frauen fragen beim Thema Geld oft nicht nach. Warum eigene Vorsorge aber so wichtig ist, erklärt Susanne Höllinger von Erste Group

Aus falscher Scheu fragen Frauen beim Thema Geld oft nicht nach. Warum die eigene Vorsorge aber so wichtig ist, erklärt Susanne Höllinger, Leiterin des Private Banking der Erste Group. Nachgefragt hat Bettina Pfluger.

STANDARD: Das Thema Frauen und Geld ist mit vielen Klischees behaftet. Ein kurzer Word-Rap dazu. Es heißt, Frauen sorgen zu spät vor.

Höllinger: Das stimmt. Weil es in der Regel oft kein Thema ist.

STANDARD: Sie sorgen zu wenig vor.

Höllinger: Das stimmt auch. Weil sie meist erst dann, wenn sich die Lebensbedingungen verändert haben, an Vorsorge denken. Das Thema Finanzen wird noch immer oft durch die Männer abgedeckt.

STANDARD: Frauen kaufen gerne Aktien von Luxusgüterherstellern wie Prada und Co.

Höllinger: Nein. Frauen kaufen sogar weniger nach Klischee. Sie sind sehr strukturiert und gehen genau vor, wenn sie etwas kaufen. Sie möchten in der Regel sehr genau wissen, was sie haben, wie ein Produkt funktioniert, welche Risiken es gibt. Also ein sehr strukturiertes Vorgehen.

STANDARD: Sie sind vorsichtiger.

Höllinger: Das kann ich nicht bestätigen. Es gibt vorsichtige und risikobereite Frauen, so wie Männer. Oft ist das Risikoverhalten durch den Beruf geprägt oder dadurch, wie viel Geld da ist. Das bestimmt auch oft die Strategie.

STANDARD: Frauen zocken nicht.

Höllinger: Frauen würden dafür nicht das Wort "zocken" verwenden, so wie Männer. Auch wenn sie vielleicht das Gleiche tun: nämlich risikobewusst in etwas investieren, und wenn Gewinne da sind, diese auch lukrieren.

STANDARD: Ende der Klischees. Gibt es einen Unterschied, wie Frauen mit Finanzen umgehen, wenn sie Single oder verheiratet sind?

Höllinger: Bei Frauen, die allein leben, gibt es kaum einen Unterschied zu Männern. Jeder weiß, dass er für sich selbst sorgen muss und im Notfall nur auf sein eigenes Geld zurückgreifen kann. Probleme gibt es oft bei Frauen, die in einer festen Beziehung oder verheiratet sind. In Wien werden zwei Drittel der Ehen geschieden. Als Frau kann man heute nicht mehr davon ausgehen, von einem Mann versorgt zu werden. Im Alter ist man dann oft auf sich allein gestellt.

STANDARD: Ihre Lösung dafür?

Höllinger: Ich weise in Beratungen immer darauf hin, dass beide Partner eine Absicherung brauchen. Jeder sollte sein eigenes Konto und seine eigene Versicherungspolizze haben. Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass der Staat oder der Lebenspartner einspringt.

STANDARD: Wie kommt dieser Gedanke in Beratungsgesprächen an?

Höllinger: Sehr gut, es ist aber noch kein Selbstverständnis, und daran muss gearbeitet werden. Auch für einen Mann ist es letztlich eine Beruhigung, wenn er weiß, dass seine Partnerin abgesichert ist.

STANDARD: Frauen führen oft die Haushaltskasse. Das Geldthema per se erledigen die Männer. Warum ist das im Jahr 2010 noch so?

Höllinger: Gute Frage. Da gibt es sicher noch traditionelle Strukturen. Vielleicht auch, weil Frauen in diesem Bereich weniger Selbstbewusstsein haben und sich beim Thema Finanzen einiges einfach nicht fragen trauen. Das ist völlig unnötig. Männer kennen sich auch nicht überall aus.

STANDARD: Frau ist doch gewohnt, Fragen zu stellen. Im Supermarkt, beim Autokauf, wer einen guten Arzt kennt etc. Warum ist Fragenstellen beim Thema Geld tabu?

Höllinger: Ich weiß es nicht. Auch im Freundeskreis wird darüber nicht viel gesprochen. Frauen reden über Geld oft nur, wenn sie in Schwierigkeiten sind. Dann spricht man auf der menschlichen Ebene und versucht, Ratschläge zu geben. Über Geld im Freundeskreis zu reden würde auch die Kompetenz in diesem Bereich schulen. Schulung über Geld ist etwas Essenzielles - so wie Wissen über Ernährung und Gesundheit. Die drei Bausteine für ein sorgenfreies Leben sind Ernährung, Gesundheit und Finanzen. So einen wichtigen Bereich auszuklammern ist ein Riesenfehler.

STANDARD: Wie kommt man an die Zielgruppe Frau heran?

Höllinger: Ein wesentlicher Punkt sind die Medien. Zu den traditionellen Rubriken in Frauenzeitschriften wie Mode, Kochen oder Reisen müsste es einen fixen Finanzbereich geben. Bei uns in der Erste Bank sind 52 Prozent der Kunden weiblich. Im Private Banking sieht es aber schon anders aus. In der Top-Vermögensklasse haben wir 35 Prozent Frauen und 65 Prozent Männer.

STANDARD: Machen Sie als Bank eigene Veranstaltungen für Frauen?

Höllinger: Es gibt bei uns immer wieder wechselnde Formate, zuletzt den Woman-Investment-Club. Die Nachfrage ist enorm.

STANDARD: Welche Punkte gilt es zu beachten, wenn frau mit der Finanzplanung anfangen will?

Höllinger: Der erste Punkt ist langfristige Absicherung. Ein eigenes Konto. Ein eigenes Sparbuch. Eine eigene Versicherungspolizze. Keine Produkte abschließen, die erst ab dem 65 Lebensjahr ausschütten. Wir können heute oft nicht mehr so lange im Job bleiben, wie wir sollen. Bis 65 kann schnell eine Vorsorgelücke entstehen. Auf alle Fälle sollten die Produkte inflationsangepasst sein. Das zweite Thema ist Sicherheit. Ein Sparbuch mit einem Notgroschen von drei bis vier Monatsgehältern. Hat man diese zwei Bereiche erfüllt, kann ein Depot angedacht werden - etwa mit Ansparplänen.

STANDARD: Über welche Stolpersteine fallen Frauen heute noch?

Höllinger: Bei Krediten ist es immer noch so, dass Frauen oft mit unterschreiben, obwohl sie am Eigentum nicht beteiligt sind. Baut man zu zweit ein Haus, und stehen beide im Grundbuch, ist das ja okay. Schlimm ist es, wenn ein Vermögen, das einem Partner zugeordnet ist, durch zwei Unterschriften abgesichert ist. Bei einer Scheidung muss im schlechtesten Fall die Frau die Kreditraten weiterzahlen, und das Vermögen im Depot wandert zum Mann.

STANDARD: Wie ist das im Todesfall?

Höllinger: Angenommen ein Paar hat zwei Kinder, und der Vater stirbt: Lautet das Depot nur auf seinen Namen, steht der Frau vom Gesetz her nur ein Drittel zu. Der Rest geht an die Kinder. Mit einem Schlag gehört der Frau vom Familienvermögen plötzlich nur noch ein Drittel. Daraus ergibt sich schnell eine finanzielle Lücke. Lautet das Depot auf beide, fließt nur die Hälfte ins Erbe ein. Vermögen in einer Partnerschaft zu teilen ist aber leider noch viel zu wenig selbstverständlich.(Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2010)

SUSANNE HÖLLINGER (45) leitet das Private Banking der Erste Group. Die Mutter zweier Söhne hat Wirtschaftswissenschaften an der WU Wien studiert und Ausbildungen im Bereich Gesundheitsmanagement und Krankenhausmanagement absolviert.

(Quelle: derstandard.at, 17. November 2010)

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