News

Länger arbeiten soll auch möglich sein

Zwangspensionierungen von Frauen zwischen 60 und 65 sind in allen EU-Mitgliedstaaten generell verboten.

Die Berichte zu den Zwangspensionierungen sind zu ergänzen: Zwangspensionierungen von Frauen zwischen 60 und 65 sind in allen EU-Mitgliedstaaten verboten. Dies ist seit über 20 Jahren ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes der EU (Rs 152/84, Marshall), die er in seinem Urteil (C-356/09, Kleist) am 18. November nur bestätigt hat.

Trotzdem werden von staatsnahen Institutionen wie der Pensionsversicherungsanstalt, der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer oder dem ORF Frauen zwischen 60 und 65 gesetzwidrig zwangspensioniert.

Zum 31.12.2010 soll die ORF-Journalistin Christine Jentsch, obwohl sie sich seit Monaten dagegen wehrt, zwangspensioniert werden. Sie kämpft vor dem LG Innsbruck (65 Cga 49/10m). Eine Angestellte der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer hat beim Oberlandesgericht Wien gewonnen, die niederösterreichische Landwirtschaftskammer beharrte aber auf der Zwangspensionierung, der Akt liegt beim OGH. Die Pensionsversicherungsanstalt hat neben der Chefärztin Dr. Kleist noch eine zweite Ärztin, Frau Dr. Schwab, zwangspensioniert. Sie hat in erster Instanz beim LG Innsbruck gewonnen (16 Cga 26/09t). Auch hier prozessiert die Pensionsversicherungsanstalt weiter. Das Vorabentscheidungsverfahren beim EU-Gerichtshof ist noch offen.

Klare Rechtslage

Angesichts der klaren Rechtslage empfinden die betroffenen Frauen ihre Zwangspensionierungen und die anschließenden Prozesse durch alle Instanzen als „Mobbing“, das sofort zu Ende wäre, wenn die Politik, konkret RotSchwarz, einschreiten und ihre in die Führungsetagen dieser Institutionen entsandten oder „gewählten“ Vertrauensleute „zurückpfeifen“ und ermahnen würde, gesetzeskonform zu handeln.

Im Fall Kleist habe ich vielfach bei Rot-Schwarz interveniert. Es hieß – wenn überhaupt geantwortet wurde –, man wolle in ein laufendes Verfahren nicht eingreifen. Die frühere Frauenministerin Bures hat überhaupt nicht reagiert.

Die Chefärztin Kleist hat sich noch am 18. November bei der Pensionsversicherungsanstalt zum Dienst gemeldet und gebeten, ab 2011 wieder arbeiten zu können. Dies wurde von der Pensionsversicherungsanstalt abgelehnt. Für Kleist, die nun seit drei Jahren trotz eindeutiger Rechtslage gegen ihre Zwangspensionierung prozessiert, ist dies unerträglich.

Brüssel will eine Flexibilisierung

Zur Frage, ob Zwangspensionierungen mit 65 generell erlaubt sind, ist folgende Richtigstellung notwendig: Der Gerichtshof hat entschieden (C-45/09 Rosenbladt), dass Zwangspensionierungen mit 65 im Einzelfall nur dann zulässig sind, wenn sie durch ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- oder Arbeitsmarktpolitik gerechtfertigt sind und zum anderen die Zwangspensionierungen als Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.

Nachdem Faymann, Pröll, Hundsdorfer und andere immer wieder vorbringen, dass die Österreicher in Zukunft länger arbeiten müssen, weil sonst die Rentensysteme Gefahr laufen zu kollabieren, wird es schwierig sein, eine Zwangspensionierung mit 65 als beschäftigungspolitisch notwendige Maßnahme erfolgreich zu argumentieren. Bisher gibt es dazu in Österreich noch keinen Prozess.

Die Europäische Kommission tritt generell für eine Flexibilisierung der Pensionsaltersgrenzen ein. Für Österreich bedeutete dies: Wer mit Erreichen des Regelpensionsalters in Pension gehen will, hat das Recht, dies zu tun. Wer, aus welchen Gründen immer, länger arbeiten will, soll diese Möglichkeit haben. Er sollte sogar dafür belohnt werden, weil er dann ja länger in die Systeme einzahlt und erst später seine Pension abruft.

Rechtsanwalt Dr. Hanns Forcher-Mayr LL.M, an den Verfahren LG Innsbruck 16 Cga 26/09t, 65 Cga 49/10m, 43 Cga 145/07p beteiligt.

(Quelle: "Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2010)

Zurück