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Krankenversicherung: Privat – oder doch lieber Staat?

Private Krankenversicherungen waren den Österreichern 2009 rund 1,6 Mrd. Euro wert. Die freie Arztwahl oder eine bessere Unterbringung im Krankenhaus kostet freilich auch einiges.

Wien. Werden Privatpatienten in Österreich besser behandelt? Oder einfach nur schneller? Oder keines von beiden?

Dass die Zwei-Klassen-Medizin zunehmend Einzug in das österreichische Gesundheitswesen hält, wird von offizieller Seite freilich konsequent dementiert. Schließlich sei das heimische System eines der besten weltweit. Doch ein großer Teil der Bevölkerung fürchtet sich vor einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in den kommenden Jahren. Das hatte das „Gesundheitsbarometer“, eine Umfrage des Instituts für Strategieanalysen, im vergangenen Herbst ergeben.

Zudem gibt es immer wieder Gerüchte, wonach Privatpatienten vom System massiv bevorzugt werden. Häufig stellen sich Verbraucher daher die Frage: Lohnt es sich, eine private Krankenversicherung abzuschließen, oder doch nicht?

„Die Sinnfrage muss sich jeder selbst stellen“, sagt Gabi Kreindl vom Verein für Konsumenteninformation. Die Zusatzversicherung bringe einige Vorteile mit sich: Der Patient könne den Arzt seines Vertrauens frei wählen. Und im Krankenhaus muss er sich – dank des Sonderklassenstatus – sein Zimmer nicht mit fünf weiteren Personen teilen. Doch private Krankenversicherungen sind nicht unbedingt billig. Die Tarife variieren, genauso wie die Leistungen, von Versicherung zu Versicherung. Weiters hängt die Höhe der Prämie davon ab, ob sich Kunden für eine Variante mit oder ohne Selbstbehalt entscheiden.

► Wähle ein Kunde einen Tarif mit Selbstbehalt, müsse er damit rechnen, einen Betrag zwischen 500 und 1500 Euro pro Jahr zu zahlen, sagt Konsumentenschützerin Kreindl. Bei einem Sonderklassenprodukt der Generali wird im Ernstfall etwa ein Selbstbehalt von 870 Euro verrechnet. Doch je nachdem, in welchem Bundesland ein Kunde lebt, werden verschiedene Tarife berechnet. Wien ist ein tendenziell teures Pflaster. Ein Allianz-Beispiel zeigt: Während in Wien bei geringem Selbstbehalt Kosten von 940 Euro anfallen, sind es in Niederösterreich 538 Euro.
Die Assekuranzen räumen ihren Kunden teilweise Wahlfreiheten ein: So kann zwischen einem fixen Betrag, der für ganz Österreich gilt, oder einem, der sich von Bundesland zu Bundesland unterscheidet, gewählt werden.

► Den Selbstbehalt zahlen Sonderklassepatienten nur einmal pro Kalenderjahr. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, etwa bei Unfällen, bestimmten schweren Erkrankungen oder auch ambulanten Operationen: Hier entfällt der Selbstbehalt. Bleiben Versicherungsnehmer gesund, werden ihnen, je nach Assekuranz, Prämien bis zu einem gewissen Grad gutgeschrieben. Besonders für Jüngere zahlt sich ein Selbstbehalt daher aus. Die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthaltes ist für sie geringer.

► Der Vorteil einer Selbstbehaltsvariante spiegelt sich in niedrigeren Prämien wider. Hier ein Beispiel: Eine 25-jährige Frau, die sich bei der Wiener Städtischen für einen umfassenden Sonderklassentarif entschieden hat, zahlt eine Prämie von rund 65 Euro im Monat. Jedoch nur dann, wenn sie im Rahmen des Selbstbehaltes auch für die Kosten eines Krankenhausaufenthaltes aufkommt. Wählt die Frau eine Variante ohne Selbstbehalt, werden von ihrem Konto monatlich rund 97 Euro abgebucht. Die Prämie wird also deutlich teurer. Bei anderen Versicherungen ist das ähnlich. Expertin Kreindl sagt, man könne sich etwa ein Drittel der monatlichen Kosten ersparen.

► Die Prämien sind für jüngere Kunden wesentlich billiger als für ältere. Bei der Wiener Städtischen zahlt die 25-jährige Frau mit Selbstbehalt rund 97 Euro. Eine 50-jährige Frau, die einen Vertrag neu abschließt, zahlt 192 Euro. Auch gibt es preisliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Ein 25-jähriger Mann hat bei der Städtischen rund 87 Euro, der 50-Jährige rund 181 Euro zu berappen. Tendenziell zahlen Frauen in Folge ihrer höheren Lebenserwartung mehr. Bis zum 50. Lebensjahr nähern sich die Tarife einander aber mehr oder weniger an. Darüber hinaus müssen die Kosten für eine Schwangerschaft, Entbindung und Mutterschaft seit dem 1. Dezember 2007 von beiden Geschlechtern gemeinsam getragen werden. Für Neuverträge bedeutet dies: Prämien für Frauen sind günstiger, jene für Männer teurer geworden.

► Ab einem gewissen Alter sind Zusatzversicherungen de facto unleistbar. Versicherungen sind im Fall einer umfassenden Krankengeschichte berechtigt, Neukunden abzuweisen. Eine Zusatzversicherung kann auch Jüngeren infolge ihres Gesundheitszustandes verwehrt bleiben. Die meisten Neukunden im Bereich der Zusatzversicherungen sind unter 45 Jahre alt. Viele Eltern schließen zur Geburt ihrer Kinder eine Zusatzversicherung ab.

► Es ist unklug, die Zusatzversicherung zu kündigen und sich nach ein paar Jahren dann doch wieder für ein solches Produkt zu entscheiden. Der Tarif wird nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über dem Betrag liegen, den der Kunde bei durchgehendem Versicherungsschutz bezahlt hätte.

► Der Versicherungsnehmer hat in den ersten drei Jahren nach Vertragsunterzeichnung meist keine Möglichkeit, die Polizze zu kündigen. Das ist branchenüblich. Die Firmen wollen sich auf diese Weise vor einem anlassbezogenen Abschluss schützen.

Nach Ablauf dieses Zeitraums ist die Kündigung unter Einhaltung einer Frist möglich. Der Versicherung ist es ebenfalls gestattet, aufrechte Verträge zu lösen. Das kann sie allerdings nur in Sonderfällen: Etwa dann, wenn der Versicherte vor dem Abschluss einer Polizze unrichtige Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht hat.

Die Assekuranz wahrheitsgetreu über die eigene Krankengeschichte zu informieren, ist unerlässlich, da sich die Konzerne sonst leistungsfrei halten können.

► Im Laufe des Lebens ändern sich die Bedürfnisse. Daher ist es häufig möglich, im Alter auf andere Tarife umzustellen, etwa auf solche ohne Selbstbehalt. Bei manchen Verträgen sinkt die Prämie im Alter.

 

Was Sie beachten sollten bei Sonderklassenversicherungen:
Rund eine Millionen Österreicher ist im Besitz einer privaten Krankenversicherung – häufig ist das auch ein Vertrag auf Lebenszeit. Wer sich schon in jungen Jahren für ein Sonderklassenprodukt entscheidet, hat den Vorteil, weniger zahlen zu müssen.

Tipp 1

Vergleichen. In Österreich gibt es knapp zehn Anbieter von privaten Krankenversicherungen. Die Anzahl der Produkte ist weit höher und daher nur schwer zu überblicken. Einen Versicherungsmakler aufzusuchen, kann da durchaus Sinn haben. Im besten Fall kann der Makler bereits im Vorfeld jene Produkte herausfiltern, die am ehesten den Vorstellungen des Kunden entsprechen.

Tipp 2

Früh übt sich. Je früher sich jemand für eine private Krankenversicherung entscheidet, desto geringer sind die monatlich zu zahlenden Prämien. Spät einzusteigen ist meist sehr teuer. Ab einem gewissen Alter sind die Kosten - je nach Einkommen - beinahe unbezahlbar. Entscheidet sich der Kunde für eine Variante mit Selbstbehalt, reduziert sich die monatliche Prämie um bis zu ein Drittel.

Tipp 3

Kündigen. Der Vorteil einer privaten Krankenversicherung besteht darin, dass die Versicherung nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit hat, den Vertrag mit dem Kunden aufzulösen. Zu diesen Ausnahmen zählt etwa, wenn der Kunde die Assekuranz nicht richtig über seine eigene Krankengeschichte informiert. Denn dann kann sich das Unternehmen leistungsfrei halten – und den Vertrag fristlos kündigen.

 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2011)

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