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Investieren mit Option auf Weltrettung

Was nachhaltiges Investment kann (gutes Geld bringen) und was nicht (die Welt retten), erklärt der Wiener Unternehmensberater Friesenbichler

Ob man mit nachhaltigem Investment die Welt retten kann, wo die Outperformance begründet liegt und warum sich der Wunsch nach Rendite und der Wunsch nach ethischem Wirtschaften nicht gegenseitig ausschließen, erklärt der Unternehmensberater Reinhard Friesenbichler im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Kann man mit nachhaltigem Investment die Welt retten?

Reinhard Friesenbichler: Nein. Es ist jedoch ein nicht unwesentlicher Beitrag, um die Welt in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Kapitalbewegungen bzw. Investitionen eine absolute Schlüsselrolle in der modernen Ökonomie einnehmen, ist das ein strategisch wichtiges Aktionsfeld.

derStandard.at: Was sind für Sie die Eckpunkte eines nachhaltigen Investments oder Unternehmens?

Friesenbichler: Allgemein gesprochen heißt das, bei einer Managemententscheidung bzw. aus Investorensicht bei einer Anlageentscheidung neben rein und unmittelbar ökonomischen Kriterien auch soziale, ethische, ökologische und gesellschaftliche Aspekte mit zu berücksichtigen. Wie streng diese Kriterien sind und wo ich meine eigene Messlatte dafür anlege, was nachhaltig ist und was noch nicht, da gehen die Meinungen weit auseinander. Da kann man die Diskussion dann ins Philosophische führen und darüber sprechen, ob Kapitalismus im engeren Sinne überhaupt nachhaltig sein kann.

derStandard.at: Profitieren nicht gerade nachhaltige Fonds durchaus von Katastrophen wie zum Beispiel der Ölmisere bei BP, und performen besser?

Friesenbichler: Der Fonds läuft ja idealerweise deshalb besser, weil er solche Risikounternehmen nicht in seinem Portfolio hatte. Die These, die den nachhaltigen Investments zugrunde liegt, ist ja jene, dass ich mir die Unternehmen aussuche, die ökologisch und gesellschaftlich besser und anerkannter sind und dass diese über diese Transmissionsmechanismen auch wirtschaftlich erfolgreicher sind. Damit erzielt man langfristig einen Mehrertrag beziehungsweise geht weniger Risiko ein.

derStandard.at: Sehen Sie einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen dem Wunsch nach ethischem Handeln und dem Wunsch nach Renditen? Geht das überhaupt zusammen?

Friesenbichler: Das geht zusammen. Wenn Sie sich zum Beispiel unseren Nachhaltigkeits-Index, den VÖNIX, ansehen, den gibt's mittlerweile seit fünfeinhalb Jahren und er performt besser als der konventionelle ATX. Kumuliert sind das immerhin 17 Prozent seit Indexstart Mitte 2005. Es geht insofern zusammen, wenn man Nachhaltigkeit als langfristige Erfolgsorientierung betrachtet. Zur unternehmerischen Nachhaltigkeit gehören natürlich auch zum Beispiel Spendentätigkeiten. Das sind vordergründig betrachtet natürlich Minusposten. Aber die meisten Nachhaltigkeitsaktivitäten tun auch der Bilanz gut. Wenn Sie integrierten Umweltschutz im Unternehmen betreiben, also schon in der Konstruktionsabteilung beginnen mitzudenken, wie können wir das Produkt mit möglichst wenig Material- und Energieeinsatz herstellen, dann tun Sie der Umwelt Gutes, aber auch Ihrer Bilanz. Oder denken Sie an die Reputationsrisiken. Wenn Sie als Unternehmen eine ökologische "Sauerei" vollziehen und eine Öl-Plattform in der Nordsee versenken wolle, dann haben Sie in der Sekunde einen Käuferboykott. Das kann sich kein Unternehmen leisten.

derStandard.at: Performen nachhaltige Investments eigentlich grundsätzlich besser als konventionelle?

Friesenbichler: Durchschnittszahlen helfen da nicht wirklich. Auch mit den empirischen Studien ist es schwierig. Aber grundsätzlich kann man ableiten, dass ethisches Investment jedenfalls nicht schlechter ist als konventionelles. Das ist die vorsichtige Interpretation. Wenn man es offensiver auslegen möchte, könnte man sagen: Nachhaltiges Investment ist tendenziell besser. Eines lässt sich auf jeden Fall sagen: Nachhaltigkeit ist kein Ertragsnachteil.

derStandard.at: Hängt die tendenziell bessere Performance auch damit zusammen, dass andere Qualitätsmaßstäbe in der Zusammensetzung und der "Pflege" der Nachhaltigkeits-Fonds angelegt wurden?

Friesenbichler: Ganz sicher, denn der Fondsmanager braucht eine weitere Brille für seine Titelauswahl. Auch die Mechanismen, über die ich vorher gesprochen habe, also der integrierte Umweltschutz und die Abwehr von Reputationsrisiken - in diesen Mechanismen liegt der kleine Performancevorsprung letztlich verborgen. Wenn Sie so wollen, ist Nachhaltigkeitsanalyse - klammern wir einmal die Ethik und weltanschauliche Dinge völlig aus - eine erweiterte Fundamentalanalyse, wo Sie sich nicht nur mit den Hard Facts der Bilanz zufrieden geben, sondern ein bisschen weiter in den Bereich der Soft Facts-Analyse gehen. Die Motivation von Mitarbeitern zum Beispiel ist eindeutig ein Soft Fact, sehr schwer zu messen, aber niemand würde behaupten, dass das nicht hochgradig erfolgsrelevant ist für ein Unternehmen. So schwierig es ist, das von innen und von außen zu bewerten, es ist dennoch sinnvoll, es zu versuchen. Denn dieser kleine Informationsvorteil, den ein Nachhaltigkeitsfonds gegenüber einem konventionellen hat, darin liegt die Outperformance.

derStandard.at: 2009 hat in Österreich nachhaltiges Investment um 165 Prozent zugelegt. Ist da noch genügend Potenzial drin?

Friesenbichler: Ja, natürlich. Man muss die Zahl auch relativieren. Das entspricht Marktanteilen von zwei bis drei Prozent im deutschsprachigen Raum. Als ich Mitte der 1990er begonnen habe, mich in dem Segment zu bewegen, da waren wir noch tief im Null-Komma-Bereich. Eine Wachstumsrate von über 100 Prozent ist von dem Niveau weg natürlich relativ leicht zu erzielen. Nichtsdestotrotz, wenn man zum Beispiel in die USA blickt, dort sagt man, gut zehn Prozent des "Assets under Management" (Anm.: verwaltetes Vermögen) seien mehr oder weniger streng nachhaltigkeitsorientiert. Wenn wir uns das als mittelfristiges Ziel setzen, ist da noch sehr viel Potenzial vorhanden.

derStandard.at: Setzen auch institutionelle Investoren vermehrt auf nachhaltige Anlageformen?

Friesenbichler: Eindeutig ja. Die österreichischen Nachhaltigkeitsgelder sind überraschenderweise kaum im Eigentum von Privaten, sondern zu 80, 90 Prozent in Händen Institutioneller. Insbesondere Pensions- und Vorsorgekassen haben sich derartige Ziele auferlegt. Das ist besonders bei solchen Institutionen sinnvoll, da Pensionskassen der Sicherung des Wohlstands von Arbeitnehmern im Alter dienen. Wenn Sie diesen Wohlstand dadurch sichern, dass sie deren Kollegen oder Kolleginnen in China ausbeuten, das wäre einigermaßen schizophren.

derStandard.at: Haben die Krise und die Probleme mit diversen Anlageprodukten die große Stunde des nachhaltigen Investments eingeläutet?

Friesenbichler: Das war ganz sicher ein Schub. Weil damit natürlich das Bewusstsein der Anleger gestiegen ist, dass Investieren nicht nur das reine Starren auf die Performance ist. Wobei bei den Problemprodukten der Finanzkrise, wie die Immobilienaktien, oft die Vertriebsseite kritikwürdig war. Ein Produkt, das den Anspruch hat, ethisch nachhaltig zu sein, braucht auch eine entsprechende Vertriebsstrategie. Das können Sie nur schwer über den klassischen Strukturvertrieb an Mann und Frau bringen.

derStandard.at: Es reicht also nicht aus, einen schönen Nachhaltigkeits-Fonds zusammenzustellen, wenn der Fondsanbieter selbst nach ganz anderen Prinzipien funktioniert. Wie weit muss die Nachhaltigkeit hier also gehen?

Friesenbichler: Nachhaltigkeit sollte sich durch die Strategie der ganzen Fondsgesellschaft ziehen. Es muss jetzt nicht jeder Fonds ein nachhaltiger sein, aber es sollte kein allzu großer Unterschied zwischen der Nachhaltigkeitspalette und der konventionellen Palette sein. Es muss eine stimmige Unternehmenspolitik geben.

derStandard.at: Ist Transparenz für ein nachhaltiges Investment oder Unternehmen noch wichtiger, als für ein konventionelles?

Friesenbichler: Ganz sicher. Weil Sie, wenn Sie ein Nachhaltigkeitsprodukt verkaufen oder ein nachhaltiges Unternehmen betreiben, eine zusätzliche Qualitätseigenschaft versprechen. Nämlich nicht nur Rendite, sondern auch soziale und ökologische Qualität. Und diese Eigenschaft müssen Sie dem Kunden gegenüber auch entsprechend nachweisen. Für ein Unternehmen bedeutet das, einen anständigen Nachhaltigkeitsbericht zu verfassen. Für eine Fondsgesellschaft bedeutet das, dass im Internet, im Geschäftsbericht wo auch immer, die Nachhaltigkeitskriterien und die effektive Portfoliozusammensetzung intensiver kommuniziert werden.

derStandard.at: Setzen sich Anleger, die auf nachhaltige Investments setzen, per se mehr mit dem Produkt auseinander?

Friesenbichler: Tendenziell ja. Es gibt den Anlegertypus, der sich sowieso schon dadurch auszeichnet, dass er eine Solaranlage auf dem Dach hat, sich für Elektroautos interessiert oder mit dem Rad fährt - der LOHAS-Typ - und diese Lebenseinstellung zieht er auch konsequent in seiner Geldanlagesphäre durch. Es gibt aber auch den opportunistischen Nachhaltigkeitsfonds-Käufer, der einfach sagt: Für mich sind Wasser oder erneuerbare Energien Zukunftstrends, und daraus will ich meinen Profit ziehen.

derStandard.at: Wie sieht es mit den Ausschlusskriterien aus (zB keine Rüstung, kein Glücksspiel). Sind diese in Stein gemeißelt?

Friesenbichler: Wir haben unsere in den letzten Jahren nicht verändert. Für uns sind das Kriterien, bei denen wir sagen: Das widerspricht den Prinzipien der Ethik oder der Nachhaltigkeit grundsätzlich. Und das wird es auch in fünfzig Jahren noch tun. Waffen herzustellen, die Angriffskriegen dienen, ist grundsätzlich ein ethisches Problem, da brauchen wir nicht lang zu diskutieren. In der Detaildefinition wird es dann aber schwierig. In unseren Ausschlusskriterien finden Sie unter dem Titel Rüstungsindustrie eine fünfseitige Detaildefinition: Was ist denn ein Rüstungsgut? Das ist nicht immer so klar. Was ist denn eine Pistole? In der Hand eines Polizisten? In der Hand eines österreichischen Soldaten? In der Hand eines iranischen Soldaten? Es ist immer dasselbe Produkt, aber mit völlig unterschiedlichen ethischen Risiken. Die Gen-Technik als Ausschlusskriterium ist hingegen ein Beispiel dafür, dass man immer mit der Dynamik der Materie mitziehen muss. Die Überschrift bei uns lautet: ethisch problematische Gentechnologie. Was aber ethisch problematisch ist, dafür gibt es laufend neue Erkenntnisse aus der Ethik und aus den Naturwissenschaften. Das ist nicht in Stein gemeißelt. (Daniela Rom, derStandard.at, 12.10.2010)

REINHARD FRIESENBICHLER ist Geschäftsführer der rfu Unternehmensberatung, die auf nachhaltiges Investment und Management spezialisiert ist. rfu unterstützt Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung von Anlage- und Geschäftsstrategien, zum Beispiel durch die Konzeption von Investmentprodukten, Nachhaltigkeits-Research oder die Integration von Nachhaltigkeit in Managementsysteme.

(Quelle: derstandard.at, 12.10.2010)

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