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Hundstorfer will Invaliditätspensionen bremsen

Sozialminister hält weitere Maßnahmen gegen Frühpensionen für nötig - Sorgen um Junge am Arbeitsmarkt

Wien - Für Rudolf Hundstorfer ist eine Absenkung des hohen Anteils an Invaliditätspensionen der "Schlüssel" zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters. Der Sozialminister peilt hier innerhalb der nächsten vier, fünf Jahre eine Reduktion um ein Zehntel an - und innerhalb eines Jahrzehnts müssten die Menschen eineinhalb Jahre länger im Erwerbsleben bleiben, "das ist mein Ziel", sagte der Minister am Freitag im Klub der Wirtschaftspublizisten: "Jedes Jahr länger arbeiten bedeutet eine Milliarde Euro Minderausgaben."

Jährlich 30.000 Fälle an Arbeitsunfähigkeit

Zu dem am Donnerstag bekannt gewordenen OECD-Vergleich, wonach in Österreich die Menschen von allen Industrieländern fast am frühesten in Pension gehen, verwies der Minister auf den hierzulande sehr hohen Anteil an Invaliditätspensionen. Von den jährlich rund 100.000 Eigenpensions-Antritten - samt Witwen- und Waisenpensionen sind es 125.000 - würden 30.000 wegen Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Angesichts durchschnittlich 640 Euro Invaliditätspension "geht aber niemand aus Jux und Tollerei in Pension, davon kann ja keiner leben".

Auch wenn von den 70.000 Anträgen auf Invaliditätspension ohnedies rund 40.000 abgelehnt würden, seien weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit den Frühpensionen nötig. Bei immer mehr Fällen, rund der Hälfte, gehe es um psychosomatische Ursachen, also ein "Burn-out". Schon jetzt gebe es keine Invaliditätsrente mehr ohne vorherige verpflichtende Rehabilitation, wie im Budgetbegleitgesetz beschlossen. Zudem regle das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz (AGG) eine ständige und möglichst frühzeitige Kooperation zwischen Krankenkassen und Pensionsversicherungsanstalten zu Problemfällen. Bundesweit sei außerdem das Projekt Gesundheitsstraße in ganz Österreich umgesetzt.

"Sehr strenges" Procedere

Das Procedere für die Erlangung von Invaliditätspensionen sei "sehr streng", meinte Hundstorfer, er wisse nicht, wo man das noch verschärfen könne. Mit "Gefälligkeitsgutachten" sei schon seit etlichen Jahren Schluss. Bei psychischen Krankheiten sollte eine möglichst frühzeitige Erfassung gelingen, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Erste Zeichen, denen man nachgehe, sei etwa eine Häufung von Krankenständen bei einzelnen Arbeitnehmern. Die Wirtschaft mache hier "überall voll mit" und sei sich "schön langsam ihrer verstärkten Verantwortung bewusst", so der Sozialminister. Ziel müsse sein, dass die Menschen länger und gesünder im Erwerbsleben stehen können.

Ohne Invaliditätspensionen liege etwa bei Männern das faktische Rentenantrittsalter in Österreich seit drei Jahren bei 62,5 Jahren. Erst inklusive Berufsunfähigkeit komme man auf die 58,9 Jahre, wo unser Land laut dem OECD-Vergleich nur noch von Luxemburg mit 57,3 Jahren "unterboten" wird. Frauen sind in Österreich zuletzt im Schnitt im Alter von 57,5 Jahren in Pension gegangen, nur in der Slowakei erfolgt dies mit 56,2 Jahren noch früher. Bei Männern liegt das Pensionsantrittsalter im OECD-Schnitt bei 63,6 Jahren, bei Frauen bei 62,4 Jahren. Am gesetzlichen Pensionsalter in Österreich - 65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen - will Hundstorfer wie bekannt nicht drehen.

Ostöffnung kein Problem, "Menschen sind schon da"

Von der mit 1. Mai anstehenden Öffnung des Arbeitsmarktes für fast alle EU-Oststaaten (außer Rumänien, Bulgarien) erwartet Hundstorfer kaum mehr als 20.000 Arbeitswillige an Zustrom nach Österreich. Das sei nicht dramatisch, "denn wir haben den Osten schon da", verwies der Minister am Freitag auf den "Sickerprozess" der vergangenen Jahre.

Eminent wichtig sei aber das neue Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping, das der Nationalrat am 30. März beschließen soll. Verstöße gegen die KV-Mindestlöhne werde man selbst bei ausländischen Firmen mit Verwaltungsstrafen ahnden können, darum bemühe man sich intensiv etwa mit Ungarn, Tschechien und Slowenien. "Mit Deutschland haben wir das schon länger", so der Minister.

"Österreich gehen die Jungen aus"

Zur Lage am Arbeitsmarkt betonte der Sozialminister, dass Österreich "nach wie vor die niedrigste Arbeitslosenrate von Europa" aufweise. Und die Lage entspanne sich weiter: Jetzt im März, am Donnerstag dieser Woche, habe es um 35.614 weniger Arbeitslose gegeben als ein Jahr davor, "das wird sich im März weiter so durchziehen". Im Februar ist die Arbeitslosenzahl im Jahresabstand um 34.573 Personen auf 361.759 gesunken - das stärkste Minus seit drei Jahren. Dabei gab es um 20.648 weniger "echte" Arbeitslose und um 13.925 weniger Personen in Schulung als vor einem Jahr.

Das Thema "Jung gegen Alt" - den Ersatz älterer Arbeitnehmer durch jüngere, billigere - sieht Hundstorfer "jetzt einmal entspannt". Vielmehr würden Österreich "die Jungen ausgehen", verweist er auf die schwächeren Geburtsjahrgänge, die ins Berufsleben nachrücken. In diesem Jahrzehnt (2015) gebe es jedes Jahr rund 10.000 15-Jährige weniger. Erst ab 2025 sei wieder mit höherem Zustrom zu rechnen, wenn die stärkeren Geburtsjahrgänge 2008/09/10 auf den Markt drängen. "Da haben wir einmal ein Zeitfenster", ist der Sozialminister optimistisch. Außerdem beginne die Wirtschaft schon zu reagieren, "das Spielchen Jung gegen Alt wird sich also aufhören".

Quelle: derstandard.at, 18.3.2011

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