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Hacklerpensionen: Zulauf so stark wie nie

Regierung weist alle Reformvorschläge von Experten zurück

Wien - Gunther Kuchler fiel aus allen Wolken, als der Taschenrechner die neue Zahl ausspuckte. Dem Hauptschullehrer fällt der Arbeitsalltag immer schwerer, via Hacklerregelung will er im September 2012 in Frühpension. Um die notwendigen Beitragsjahre zusammenzukratzen, muss der 58-Jährige 33 Monate aus seiner Schulzeit zukaufen. Doch der Preis dafür wird nächstes Jahr explodieren: In Kuchlers Fall von 9405 Euro auf 68.644 Euro.

Schuld ist die erste von mehreren punktuellen Pensionsreformen, auf die sich die Koalition im Zuge der Budgetsanierung geeinigt hat. Im Visier ist eine Sonderregelung: Wer seine künftige Pension aufbessern möchte, kann bis zu drei Schuljahre und sechs Studienjahre nachkaufen - je mehr Versicherungsjahre, desto höher die Rente. Doch statt bisher 312 Euro (Schule) oder 624 Euro (Studium) wird jeder Monat im nächsten Jahr 957 Euro kosten. Für alle neun Jahre müssten Pensionisten in spe damit 103. 000 Euro statt 56.000 Euro zahlen - bei einem Kauf ab dem 50. Geburtstag fallen zusätzliche Aufschläge an. "Der Nachkauf wird sich dann oft nicht mehr auszahlen", prophezeit Johannes Pundy, Sprecher der Pensionsversicherung - womit sich die Betroffenen mit niedrigeren Pensionen abfinden müssen.

Besonders betroffen sind Profiteure der berüchtigten Hacklerregelung, die Kritikern als eine Ursache für das niedrige Pensionsantrittsalter gilt, das sich in rasant wachsenden Kosten fürs Pensionssystem niederschlägt. Für viele "Hackler", die in Wahrheit zu einem Großteil gutsituierte Angestellte sind, ist der Nachkauf der Schulzeiten - wie der Pensionsexperte Bernd Marin meint - "der Schlüssel zum Paradies". Der Passus erlaubt Männern mit 60 und Frauen mit 55 bisher in der Regel ohne Abschläge in Frühpension zu gehen. Bedingung sind 45 bzw. 40 Beitragsjahre. Diese Hürde schaffen viele nur dank nachgekaufter Zeiten.

Seit die Reform bekannt ist, macht sich Torschlusspanik breit. 200 Anträge pro Tag zählt die Pensionsversicherung, dreimal mehr als normal. Künftige Hacklerpensionisten wie der Lehrer Kuchler kaufen, sofern sie flüssig sind, fehlende Monate rasch vor dem Preissprung zu Neujahr nach. Sie sind die Letzten, die den Verschärfungen noch ausweichen können.

Ab 2014 ist die Hacklerregelung in alter Pracht Geschichte. Weder können dann Schul- und Studienzeiten nachgekauft, noch andere Ersatzzeiten angerechnet werden - Ausnahme sind Kindererziehung, Zivil- und Präsenzdienst. Die Regierung macht damit rückgängig, was sie 2008 im Wahlkampftaumel eingeführt hat. Die Folge war ein Run auf die Hacklerpension, der pro Jahr 500 bis 700 Millionen Euro kostet und bis dato anhält: Heuer gibt es bis September bereits mehr als 18.000 Neuzugänge allein bei Arbeitern und Angestellten. Die Rekordmarke von 22.400 aus dem Vorjahr wird bis Jahresende damit wohl fallen.

Weitere Verschärfungen: Mit 2014 steigt das Hackler-Antrittsalter auf 62 (Männer) und 57 (Frauen). Für Letztere geht der Anstieg weiter, bis die Konditionen mit der Männerregelung ident sind. Die Auswirkungen anhand eines Beispiels: Ein Frau des Jahrgangs 1961 kann erst mit 59 statt wie bisher mit 55 in die Hacklerpension.

Überdies ist die Frühpension nicht mehr ohne Verluste möglich. Ab den Jahrgängen 1954 (Männer) und 1959 (Frauen) müssen "Hackler" Abschläge für jedes Jahr, das sie vorm regulären Pensionsalter von 65 antreten, hinnehmen. Im Vergleich zur Korridorpension (ebenfalls ab 62) fällt das jährliche Minus mit 4,2 Prozent aber niedriger aus - das ist der Vorteil, der bleibt.

(Quelle: DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2010)

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