News

"Der Karren ist verfahren"

Bund und Länder ringen um Pflegefond

Wien - "Es ist fünf nach zwölf": Mit dramatischen Worten beschreibt Salzburgs Soziallandesrätin Erika Scharer das Budgetloch im Pflegesystem. In "ihrem" Land würden die Kosten für die Pflege binnen zehn Jahren von 71 auf 120 Millionen Euro explodieren, ohne frisches Geld sei die Versorgung in Gefahr, sagt die SPÖ-Politikerin zum Standard: "Ich erwarte mir, dass der Bund ab 1. Jänner die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt. Das ist ein Muss."

Alle neun Länder sehen das so oder so ähnlich. Allein bis 2013 benötigen sie zusammen 360 Millionen Euro zusätzlich, um die wachsende Nachfrage von Pflegeleistungen in der alternden Gesellschaft zu decken. Die Bundesregierung ist durchaus bereit, den zuständigen Ländern mehr Geld zuzuschießen. Wer wie viel zahlen soll, ist jedoch umstritten.

Einen "Pflegefonds" möchte Sozialminister Rudolf Hundstorfer speisen, um den Bedarf für die nächsten drei Jahre zu decken, ehe ein neuer Finanzausgleich das Geld zwischen Bund und Ländern neu verteilt. Die Länder wollen in ihren laufenden Budgets allerdings maximal ein Drittel der 360 Millionen für den Fonds freischaufeln, den Rest solle der Bund beisteuern. Schließlich habe sich dieser zunehmend der Verantwortung für die Pflege entledigt, argumentiert Landesrätin Scharer. Weil das Pflegegeld nur sporadisch erhöht wurde, decke es zu immer geringerem Ausmaß die Kosten der Betroffenen ab - die Differenz berappten die Länder aus der Sozialhilfe. Eine Wifo-Studie zeigt: Bestritt der Bund 1994 noch 64 Prozent der Pflegekosten, so waren es zwölf Jahre später nur noch 50 Prozent.

Hundstorfer hingegen ist ein Drittel Länderanteil entschieden zu wenig. Er will auch vorschreiben, dass die Länder zumindest die Hälfte ihrer zusätzlichen Einnahmen aus der Bankenabgabe verbindlich für Pflege verwenden müssten - womit sich seine Parteifreundin Scharer nicht anfreunden kann.

Beide Seiten wollen eine Einigung vor Weihnachten, doch die Zeichen stehen schlecht. Der Pflegefonds hängt vom neuen Stabilitätspakt ab, mit dem der Bund die Länder zum Sparen zwingen will - und da spießt es sich "an allen Enden", berichtet einer aus der Regierung: "Der Karren ist verfahren."

Skeptisch ist auch Alexander Bodmann, Generalsekretär der Caritas Wien: Statt einer "Gesamtlösung", die österreichweit gleiches Angebot und gleiche Qualität garantiert, sei nur ein "Föndchen" geplant, das gerade für drei Jahre Abhilfe schaffe.

(Quelle: Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.12.2010)

Zurück