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Beitragsmonat ist nicht gleich Beitragsmonat

Für einen Anspruch auf Leistungen aus der Pensionsversicherung braucht man Beitragsmonate – so weit, so klar. Nicht jede „Beitragszeit“ wird aber juristisch gleich bewertet.

Das wurde in zwei Verfahren um Invaliditätspension deutlich, wo Zeiten einer freiwilligen bzw. einer Teilversicherung nicht gezählt wurden.

Beitragsmonat ist nicht gleich Beitragsmonat. Diese Erfahrung machte Peter D. vor den Gerichten, als er die Pensionsversicherungsanstalt auf Zahlung einer Invaliditätspension klagte.

D. hatte in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag insgesamt 85 Beitragsmonate nach dem ASVG erworben. Sie teilten sich auf 32 Beitragsmonate der Pflichtversicherung (31 Beitragsmonate als Kfz-Mechaniker und ein Beitragsmonat für eine Umschulung im Rahmen des AMFG) und 53 Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung.

Strittig war in D.s Fall, ob er als invalid im Sinne des § 255 ASVG – er definiert den Invaliditätsbegriff – galt, insbesondere ob er bereits die erforderliche Zahl an Beitragsmonaten „erarbeitet“ hatte.

„Freiwillige Monate“ sind keine „verpflichtenden Monate“

„Die Frage, ob der Kläger invalide ist, ist dann nach § 255 Abs. 1 ASVG zu beurteilen, wenn er überwiegend in dem von ihm erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker tätig war“, stellte der OGH fest. „Dies ist gemäß § 255 Abs. 2 letzter Satz ASVG der Fall, wenn diese Berufstätigkeit in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurde.“

Zuvor hatte bereits das Oberlandesgericht Linz festgehalten, dass Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung – in diesem Fall Zeiten einer Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung gemäß § 19a ASVG – zwar bei der Feststellung, ob ein Beruf überwiegend ausgeübt wurde, mit zu berücksichtigen sind.

Sie können aber, so das OLG, nicht als Beitragsmonate gewertet werden, in denen eine (die Pflichtversicherung nach dem ASVG begründende) Tätigkeit ausgeübt wurde, und zwar gleichgültig, ob eine und allenfalls welche Tätigkeit in dieser Zeit tatsächlich ausgeübt wurde.

Versicherungspflichtiger Beruf als Voraussetzung

Die richterliche Conclusio: Zeiten einer freiwilligen Versicherung können daher nicht als Zeiten einer Berufsausübung in einem erlernten oder angelernten Beruf gewertet werden, weil während einer freiwilligen Versicherung überhaupt kein versicherungspflichtiger Beruf ausgeübt wird.

„Es liegt daher […] eine überwiegende Ausübung der vom Kläger erlernten Tätigkeit als Kfz-Mechaniker im maßgebenden Beobachtungszeitraum des § 255 Abs. 1 und 2 ASVG nicht vor, weshalb sich der Kläger gemäß § 255 Abs. 3 ASVG auf die ihm noch zumutbaren Tätigkeiten eines Tischmontage- und Verpackungsarbeiters sowie eines Portiers verweisen lassen muss“, befand der OGH in seinem Urteil 10ObS133/09w (8.9.2009).

Kein Berufsschutz

Auch dass D. während seiner Selbstversicherung im Ausmaß von 1,5 Stunden wöchentlich geringfügig als Reinigungskraft beschäftigt war, vermöge daran „schon deshalb nichts zu ändern, weil es sich dabei um keine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt hat“.

Der OGH räumte wohl ein, dass nicht die Ausübung der geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft zum Verlust des Berufsschutzes geführt habe. Eine überwiegende Ausübung des erlernten Berufs als Kfz-Mechaniker liege aber „im Hinblick auf die von ihm im maßgebenden Beobachtungszeitraum erworbenen 53 Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung nicht vor“. D. habe daher keinen Berufsschutz nach § 255 Abs. 1 ASVG.

Genügen 120 Monate?

In einem anderen Fall (OGH-Entscheidung 10ObS145/10m vom 19.10.2010) ging es um eine 1973 geborene Frau. Sie hatte zwischen 1990 und 1994 43 Beitragsmonate der Pflichtversicherung als Mechanikerlehrling erworbene.

Danach arbeitete sie zeitweilig bei verschiedenen Firmen: 1995 drei Monate im Rahmen einer Umschulung, 1996 etwas mehr als drei Monate als Regalbetreuerin und an der Kassa; kurzzeitig (unter drei Monaten) als Fließbandarbeiterin, dann in der Aussortierung beschädigter Elektronikteile. Insgesamt hatte sie bis zum 1.11.2009 120 Beitragsmonate erworben, davon 60 in der  Pflichtversicherung nach dem ASVG und 60 in der Teilversicherung nach dem APG.

1992 kam sie unter Sachwalterschaft. Im OGH-Text heißt es unter anderem: „Bei ihr besteht eine frühkindliche Persönlichkeitsstörung; weiters liegen Hinweise für eine manisch-depressive Erkrankung vor. […] Bereits vor dem Jahr 1990 war eine Integration in eine normale Arbeitsumwelt nicht möglich; die Klägerin war als arbeitsunfähig am allgemeinen Arbeitsmarkt anzusehen.“

Die Frau beantragte deshalb eine Invaliditätspension. Diese stehe ihr gemäß § 255 Abs. 7 ASVG zu, da sie zum 1.11.2009 die nötigen 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe. Die Pensionsversicherungsanstalt bestritt jedoch das Vorliegen von Invalidität nach § 255 Abs. 3 ASVG und meinte, die erworbenen Beitragsmonate nach dem APG seien keine Beitragsmonate im Sinn des § 232 Abs. 1 ASVG und daher auch nicht des § 255 Abs. 7 ASVG.

Beitragszeiten, aber keine Beitragsmonate

Nach unterschiedlichen Entscheidungen der Instanzen stellte sich der OGH auf die Seite der Pensionsversicherungsanstalt.

Unter anderen Argumenten führte der OGH an, das APG regle nicht die Anspruchsvoraussetzungen für eine Invaliditätspension. Diese seien weiter nach den §§ 254 f ASVG zu beurteilen. Das Pensionsharmonisierungs-Gesetz des Jahres 2004 habe eine neue Rechtslage in Bezug auf Ersatzzeiten und Teilpflichtversicherungen geschaffen.

Zeiten einer Teilversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 lit. a bis g ASVG seien als Zeiten der Pflichtversicherung gemäß § 225 ASVG zwar „Beitragszeiten“. Aber: „Wie § 232 Abs. 1 ASVG zeigt, werden solche Zeiten einer Pflichtversicherung trotzdem nicht als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit behandelt.“

OGH-Rechtssatz RS0125347

Aus § 232 Abs 1 ASVG erhellt, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung Zeiten einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG nicht als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit behandelt, auch wenn sie gemäß § 225 Abs 1 Z 1 ASVG Beitragszeiten sind.

Daraus und aus dem Umstand, dass in diesen Zeiten ebenso wie in den Ersatzzeiten, die sie ablösten, eine „Berufstätigkeit“, die beurteilt werden soll, nicht ausgeübt wird, ist abzuleiten, dass unter „Beitragsmonate“ im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG nicht Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG zu verstehen sind.

Quelle: Rechtsinformationssystem des Bundes

Quelle: versicherungsjournal.at, 26.4.2011 

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