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Beamtinnen stürmen ASVG-Frühpension

Fünf Jahre niedrigeres Antrittsalter für Ruhestand und Hacklerregelung sind Anreiz für Wechsel. Die Pensionsanstalt alarmiert das Sozialministerium: Milliarden an Mehrkosten im Bundesbudget drohen.

WIEN. Verkehrte Welt: Immer mehr Beamtinnen finden am Pensionssystem für ASVG-Versicherte Gefallen. Der Hauptgrund dafür ist das niedrigere Frühpensionsalter für Frauen im ASVG in Kombination mit der Hacklerregelung. Der Andrang von Beamtinnen aus dem Wiener Gemeindedienst, aber auch aus anderen Ländern und Kommunen hat jetzt die Führung der für Arbeiter und Angestellte zuständigen Pensionsversicherungsanstalt (PVA) auf den Plan gerufen.

Die Möglichkeit eines Wechsels ist zwar seit langem im Gesetz vorgesehen und so völlig legal. PVA-Generaldirektor Winfried Pinggera sagt allerdings im Gespräch mit der „Presse“, dass nun dennoch das Sozialministerium eingeschaltet worden sei. In der PVA merke man eine „Flut“ an Anfragen und Anträgen. Der Anlass für seinen Alarm im Sozialressort, das für die ASVG-Versicherten und die PVA zuständig ist: Hält der Ansturm weiter an, könnten rund 15.000 Beamtinnen übertreten. Damit kommen letztendlich auf den Bund längerfristig Mehrkosten bis zu 15 Milliarden Euro zu. Es drohe ein „riesiges Loch“.

Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Für die PVA sind diese Übertritte ein „Verlustgeschäft“, weil sie durch Beiträge bei weitem nicht gedeckt sind. Außerdem erfolgt die Pensionszahlung besonders lang: wegen des vorzeitigen Ruhestandsantritts ab 55 und wegen der im Durchschnitt höheren Lebenserwartung von Frauen.

Derzeit Nachteil für Beamtinnen

Ausgangsbasis ist, dass Beamtinnen im Bundes-, Landes- und Gemeindedienst beim Pensionsalter gegenüber Frauen, die in der Privatwirtschaft tätig sind, benachteiligt sind. Für sie gilt wie für männliche Beamte ein Frühpensionsalter von 60 und ein Pensionsalter von 65 Jahren. Das wirkt sich auch bei der Hacklerregelung nachteilig für Beamtinnen aus. Weibliche ASVG-Versicherte können gemäß Hacklerregelung nach 40 Versicherungsjahren mit 55 ohne Abschläge in Frühpension gehen, Beamtinnen hingegen nach 40 Dienstjahren erst mit 60.

Es zahlt sich nicht für alle aus

Seit einigen Monaten registriert die PVA auffällig mehr Anfragen von Beamtinnen im Alter rund um 55, wie hoch ihre Pension bei einem Umstieg ins ASVG wäre. Der Wechsel wird auch in steigendem Ausmaß tatsächlich in Anspruch genommen, eine dreistellige Zahl an Anträgen liegt bereits vor.

Länder, Gemeinden profitieren

Die einzelnen Beamtinnen profitieren im Regelfall, wenn ihre Pension nicht über der ASVG-Höchstpension von rund 2700 Euro brutto im Monat liegt, beispielweise lange im öffentliche Dienst tätige Sekretärinnen. Der fünf Jahre frühere Pensionsantritt ist für diese Gruppe trotz Einbußen gegenüber der Beamtenpension noch Anreiz genug. Hingegen ist für Spitzenbeamtinnen ein Wechsel wegen des größeren finanziellen Pensionsverlustes keine echte Alternative.
Aber auch Länder und Gemeinden haben nichts dagegen, dass viele ins ASVG-System umsteigen. Sie ersparen sich nicht nur de Beamtenpension für die Betroffenen, sondern steigen auch finanziell gut aus. Denn aufgrund einer langjährigen Regelung müssen sie zwar sieben Prozent des Bruttogehalts an die PVA überweisen. Das ist allerdings viel weniger als die 22,8 Prozent Pensionsversicherungsbeitrag, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zahlen.
Im Büro der Wiener Personalstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) wurde am Dienstag auf Anfrage betont, dass solche Wechsel im Pensionssystem „immer wieder stattfinden“ würden. Die Stadt Wien als Arbeitgeber könne dies allein aufgrund der gesetzlichen Möglichkeit niemandem verwehren. Zu Informationen der „Presse“, dass der Dienstgeber diesen Übertritt von Beamtinnen mittels „Golden Handshake“ in Form von Abschlagszahlungen noch unterstützt, wurde jedoch versichert: Man betreibe keine Motivation dazu: „Definitiv nicht.“

PVA-Generaldirektor Pinggera wird jedenfalls nicht mehr zusehen, weil diese Entwicklung noch größere Löcher ins Budget der PVA reißt, die ohnehin unter geringeren Einnahmen als Folge der Wirtschaftskrise leidet. Letztlich komme der Bund zum Handkuss, weil dieser das Defizit aus dem Budget abdecken muss. „In Wirklichkeit findet hier ein kalter Finanzausgleich statt“, warnt er.
Nach Prognosen der PVA könnten bis zum Ende der Hacklerregelung 2013 sogar bis zu 15.000 Beamtinnen ins ASVG wechseln. Unter dem Strich würde das laut Berechnungen maximal zwölf bis 15 Milliarden Euro zusätzlich kosten.

Vorschlag für einen neuen Riegel

Pinggera schlägt im Gespräch mit  der „Presse“ vor, die Möglichkeit des Wechsels nicht abzuschaffen, damit Beamte einen Anreiz haben, in Privatunternehmen zu übersiedeln. Das Problem soll aber gesetzlich entschärft werden. Vor einem Übertritt ins ASVG müsste jemand zumindest fünf Jahre im betreffenden System aktiv gewesen sein. Das hieße für Frauen: der Wechsel müsste vor dem 50. Lebensjahr erfolgen, um mit 55 in Frühpension gehen zu können.

Teure Hacklerpensionen
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Quelle: Die Presse, vom 24.03.2010

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