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Arzt und Patient im Kompetenzdschungel

Spitalsärzte dürfen Patienten, die wieder im Pflegeheim sind, nicht nachbetreuen: Bund und Land fühlen sich nicht zuständig

Wien - In der Theorie könnte die integrierte Versorgung von Patienten einfach und praktisch funktionieren, sagt Michael Heinisch. In der Praxis ist es alles andere als einfach - und weder praktisch noch sinnvoll, sagt der Geschäftsführer der Ordensspitäler der Vinzenzgruppe, und er bringt zum Beweis ein Beispiel.

Kürzlich etwa brach sich ein betagter Bewohner des Pflegeheims St. Katharina in Wien-Mariahilf, das von der Vinzenzgruppe betrieben wird, ein Bein. Er kam ins Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern gleich vis-à-vis (ebenfalls Vinzenzgruppe), wurde dort versorgt und betreut, bis er wieder so weit hergestellt war, dass er in sein Zimmer im Pflegeheim übersiedeln konnte.

Nun wäre es logisch - und auch sinnvoll, wenn der Arzt, der ihn betreute, einmal pro Tag über den Hof spaziert, seinen Patienten im Pflegeheim be- und untersucht, mit den Pflegerinnen und Pflegern spricht und auf diese Weise sicherstellt, dass der Mann optimal mobilisiert wird. "Geht aber nicht", sagt Heinisch.

Der Grund: die geltende Gesetzeslage. Laut dieser dürfen Spitalsärzte Bewohner im Pflegeheim nicht behandeln - das muss der Hausarzt des Heims oder jener des Heimbewohners tun. "Das ist absurd", sagt Heinisch, "weil dadurch das Notwendige und auch Sinnvolle verhindert wird."

Die Vinzenzgruppe hat sich die "integrierte Versorgung" von Patienten auf ihre Fahnen geheftet: Im Prinzip geht es darum, dass alle Rädchen im Spitals- und Pflegebetrieb so ineinandergreifen, dass die Patienten optimal abgestimmt auf ihre individuellen Bedürfnisse betreut werden. Besonders bei älteren Patienten sei es immens wichtig, "auf die Bedürfnisse der Heimbewohner Rücksicht zu nehmen", sagt der Arzt Heinisch. Ziel müsse sein, sie so lange wie möglich im Heim zu versorgen, denn wenn sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden, sei das eine starke Belastung.

Was Heinisch nicht versteht: "Sowohl Gesundheitsminister Stöger als auch der Masterplan des Hauptverbands sprechen von integrierter Patientenversorgung als Ziel." Die Gesetzeslage führe freilich genau in die Gegenrichtung.

Eine weitere Hürde sei nämlich die Finanzierung der Kurzzeitpflege (also Pflege für maximal drei Monate, etwa nach einer Operation). Stimme der Patient einer Verlegung vom Spital in eine Pflegeeinrichtung zu, komme ihn das teurer als der Verbleib im Krankenhaus, wo der Selbstbehalt zehn Euro pro Tag betrage. Der Tag im Pflegeheim dagegen koste den Patienten, etwa ab Pflegestufe 3, rund 120 Euro pro Tag, die er selbst berappen müsse.

Doch volkswirtschaftlich, sagt Heinisch, verhalte es sich genau andersrum: Ein Pflegebett kostet die Steuerzahler etwa ein Drittel von dem, was ein Spitalsbett kostet. Heinisch: "Wir schlagen dringend vor, dass man den Eigenleistungsanteil bei der Kurzzeitpflege an den Tagsatz für den Spitalsaufenthalt angleicht."

Im Büro von Gesundheitsminister Alois Stöger (SP) heißt es dazu: Eigentlich sei man für dieses Spezialproblem nicht zuständig - in Sachen Pflege seien die Länder in der Pflicht. Aber: "Ein einheitliches Bundeskrankenanstaltengesetz wäre schon ein erster Schritt in die richtige Richtung", formuliert sein Sprecher.

"Sehr bemüht"

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SP) wiederum lässt ausrichten, in Wien sei man "sehr bemüht, die integrierte Versorgung von Patienten zu vertiefen" - allerdings "im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten". Ob die ausreichen, darüber schweigt man sich im Büro Wehsely aus und verweist auf das Dialysezentrum im 22. Bezirk, das von Stadt, Krankenkassa und Barmherzigen Brüdern aufgebaut und von Letzteren betrieben wird: "Und das funktioniert sehr gut", sagt Wehsely-Sprecher Michael Eipeldauer.

Michael Heinisch empfindet diese Aussagen als unbefriedigend. Die zuständigen Stellen müssten endlich "das Problem erkennen": "Für ältere Patienten ist Kontinuität in der Behandlung enorm wichtig. Wenn wir das nicht gewährleisten können, verschlechtert sich ihr Allgemeinzustand rapide."

(Quelle: Petra Stuiber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.4.2011)

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