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Arbeitsunfall oder Unfall beim Arbeiten?

Eine Landwirtin hatte sich während der Arbeit verletzt, die Sozialversicherung wollte darin aber keinen Arbeitsunfall erkennen.

Die Gerichte kamen zum gleichen Ergebnis, weil die Frau einen „Anlageschaden“ habe und die Verletzung „auch ohne den Unfall oder durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß tatsächlich eingetreten wäre“. Der OGH stimmte dem zu.

Susanne C., 1964 geboren, von Beruf Landwirtin und Winzerin, arbeitete im Jänner 2008 im Weingarten, als sie beim Herausziehen von Reben aus der Drahtverspannung wegrutschte und plötzlich einen Schmerz in der rechten Schulter spürte. Ihr Hausarzt behandelte sie mit Infiltrationen, eine Besserung trat aber nicht ein.

Eine MRT-Untersuchung ergab einen kompletten Riss der Supraspinatussehne. Die Frau musste operiert werden. Der postoperative Verlauf war unauffällig. Allerdings besteht eine geringe Bewegungseinschränkung der Schulter sowie eine Muskelverschmächtigung am Oberarm.

C. betrachtete den Vorfall als Arbeitsunfall und erwartete von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) Leistungen aus der Unfallversicherung und einen Ersatz für die Bereitstellung von Ersatzarbeitskräften.

Nicht in Unfallversicherung einbezogener Gesundheitsschaden

Sie SVB lehnte aber ab. Zu Recht, wie das Erstgericht befand. Die Beschwerden der Frau seien ausschließlich auf die Schadensanlage zurückzuführen. Die abrupte Belastung der Sehne durch das Anziehen bei der Rebe habe aufgrund der bestehenden gravierenden Vorschädigung zu dem Sehnenriss geführt.

Die bei ihr vorliegenden degenerativen Veränderungen im Schultergelenk hätten in absehbarer Zeit bei jeder anderen alltäglichen Tätigkeit zu einer derartigen Verletzung geführt. Ein Unfallmechanismus, der zum Reißen einer gesunden Sehne geführt hätte, lag nicht vor, so das Sachverständigen-Gutachten. Für das Erstgericht lag eine nicht in den Schutz der Unfallversicherung eingebundene Vorschädigung vor.

Das Berufungsgericht bestätigte die Erstinstanz. Eine Verletzung infolge eines Anlageschadens scheide als Arbeitsunfall aus, wenn sie auch ohne den Unfall oder durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß tatsächlich eingetreten wäre.

Höchstgericht bestätigt die Instanzen

Der Oberste Gerichtshof stellte sich hinter die Gerichte (10ObS164/09d) und berief sich ebenfalls auf die Theorie von der wesentlichen Bedingung oder wesentlich mitwirkenden Ursache. Danach gelten, kurz gefasst, bloß jene Bedingungen als (Mit-)Ursache eines Arbeitsunfalls, die wesentlich zu dessen Eintritt beigetragen haben.

Als wesentlich betrachtet die Rechtsprechung Bedingungen, ohne die der Unfall „in einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang“ eingetreten wäre. Dieser Grundsatz ist auf die so genannten Anlagefälle zugeschnitten, in denen der Gesundheitsschaden „zwar real durch die kausale Einwirkung aus dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung entstanden ist, aller Wahrscheinlichkeit nach aber innerhalb kurzer Zeit in ähnlicher Schwere aufgrund einer schicksalshaften inneren Anlage entstanden wäre“, so der OGH.

In einem solchen Fall werde der Körperschaden nur dann der Unfallversicherung zugerechnet, „wenn er ohne den Umstand aus der Gefahrensphäre der Unfallversicherung erheblich später oder erheblich geringer eingetreten wäre“.

„Verfrühung“ um ein Jahr jedenfalls erheblich

Zur Frage, was unter „annähernd gleicher Zeit“ einer Schädigung durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu verstehen ist, verwies der OGH auf frühere Judikatur. Demnach ist eine „Verfrühung“ des Körperschadens durch den Unfall um mehr als ein Jahr jedenfalls als erheblich anzusehen. Die Zeitspanne von einem Jahr sei jedoch nicht allein ausschlaggebend; die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache richte sich vielmehr nach den Besonderheiten des Einzelfalls.

Letztlich gilt laut OGH: Ein anlagebedingt schon durch alltäglich vorkommende Ereignisse leicht auslösbares Leiden ist, unabhängig davon, ob es sich um altersbedingte oder darüber hinausgehende Anlageschäden handelt, nicht vom Unfallversicherungs-Schutz umfasst.

Quelle: versicherungsjournal.at, 04.02.2011

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